Uwe über Udo:
Mach dein Ding – der Film
Heute startet in den Kinos ein bemerkenswerter Film: „Mach dein Ding“. Er zeigt, wie aus dem kleinen Udo aus der westfälischen Provinz Gronau der deutsche Rockstar Udo Lindenberg wurde. In über zwei Stunden setzt Regisseurin Hermine Huntgeburth seinen Lebensweg bis zum panischen Durchbruch 1973 in Szene. Also Udo als Kind, als Jugendlicher und als aufstrebender Star. Alles noch ohne Hut. Hier ist mein Blog, sind meine Gedanken zu „Mach dein Ding“.
Ich habe den Film schon letzte Woche angeguckt und die Udo-Premiere erst mal ein paar Tage sacken lassen. Darüber nachgedacht, was ich da eigentlich in 135 Minuten gesehen habe. Über sein Leben, sein frühes Leben. Udo spätes Leben kenne ich als Freund, sein frühes nur als Fan. Er war der Soundtrack meiner Jugend. Auch deshalb kommt dieser Blog von Herzen.
Ein Blitzlichtgewitter flashte auf dem roten Teppich vor dem Cinemaxx am Dammtor-Bahnhof in Hamburg. „Mach dein Ding“ – der Kinofilm über Udo Lindenberg, gespielt von dem großartigen Jan Bülow. Schaut euch den Film an, es ist ganz großes Kino.
Das frühe Leben von Udo – es ist ja irgendwie auch mein frühes Leben. Voll in unserer Pubertät schaffte er es als erster deutscher Sänger auf die Dual-Plattenspieler. Der Player war einer der ersten, bei dem der Deckel nicht gleichzeitig der Lautsprecher war. Highclass, eine Mini PA mit zweimal 6 Watt. Wir hatten alle das Gerät.
Udo Lindenberg als Tool gegen das Elternhaus
Ich glaube bei Achim im Partykeller in Geesthacht habe ich Udo zum ersten Mal gehört. Weil mein Klassenkollege Jens ihn irgendwie geil fand, sich längst so bewegte und so sprach. Er brachte die Scheibe 1973 mit: „Alles klar auf der Andrea Doria“. Diese Sprache war das Tool im Sparringskampf mit dem Elternhaus. Ergänzt durch die drei Akkorde von Status Quo, denen ich noch mehr verfallen war. Und zwischendurch noch ein bisschen Black Sabbath, um den Generationskonflikt auf die Spitze zu treiben.
Die Mädchen auf dem Otto-Hahn-Gymnasium säuselten Cat Stevens Songs – wir brüllten mit entsprechendem Pegel, der irgendwann dazugehörte: „Neulich war ich mal wieder in Amerika und da traf ich einen Herrn von der Mafia!“ Ball Pompös, Udos Folgealbum, hat mich dann vollends gepackt. Mit „Johnny Controlletti“, aber auch Songs wie „Honky Tonky Show“ und „Gerhard Gösebrecht“. Udo war cool, wir waren cool. Oder besser: Wir wollten es sein – er half uns dabei. Das ging plötzlich auf deutsch, nicht auf englisch.
Wir sind oft ins „Onkel Pö“ am Lehmweg gefahren – und haben ihn nie gesehen. Udo spielte da schon längst im Hamburger CCH. Er hatte es geschafft. Soweit kommt der Film gar nicht, er endet mit dem Konzert in der Musikhalle und dem Andrea Doria-Album. Also mit dem Moment, als ich ihn als Geesthacht-Gymnasiast gerade erst entdeckt hatte.
Andrea Doria – das Schiff aus der Versinkung
Nun tauche ich ein in seine Kindheit, seine Jugend. „Kellner auf dem Kreuzfahrtschiff“ – das wollte er werden. Schiffe wurden später unsere Schnittmenge. Die „Andrea Doria“ hatte er auch auf seiner kindlichen Festplatte gespeichert. Als der Dampfer vor New York nach einer Kollision unterging, war Udo zehn. Siebzehn Jahre später holte er das Schiff aus der „Versinkung“. Die See hat es ihm angetan. „Nichts haut einen Seemann um“, ein weiterer Song des Albums. Mit reichlich maritimer Melancholie.
Udos Geburtsstadt Gronau muss so viel Fernweh bei ihm entfacht haben. Das hat ihn auf seine Reise geschickt. Immer weiter. Denn: Hinterm Horizont geht’s weiter. Wer weiß, was aus ihm geworden wäre, wenn als Geburtsort „Hamburg“ in seinem Pass stehen würde. Vielleicht wäre er nicht der Star, der es seinem Vater und seiner kleinbürgerlichen Heimat zeigen wollte.
Udo Lindenberg singt die Mauer mürbe
Alles das, was danach kommt im Leben von Udo Lindenberg, ist der Stoff für eine Fortsetzung. Mehr als das. Die Biografie schreit nach einer Trilogie. Teil zwei sind sein Horizont-Hit, aber vor allem sein musikalisch-politisches Lebenswerk: Die Mauer mürbe zu singen. Das begann ja schon mit dem „Mädchen aus Ostberlin“, fand dann seinen Gipfel mit dem „Sonderzug“. Leicht und locker hat er die DDR und ihren Staatsratsvorsitzenden bis aufs Blut gereizt. Und dann das Vakuum, der Absturz: Deutschland war vereint und Udo hatte nicht nur sein „Thema“, sondern auch sich selbst verloren.
Das „Happy End“ kommt dann erst in Teil drei. Seine goldenen Jahre. Die Auferstehung wie „Phönix aus der Flasche“, das Comeback 2008. Das ist das Jahr, in dem wir uns kennenlernten und die Blutsbrüderschaft zur See beschlossen.
Wir haben 2010 zusammen den Rockliner zu Wasser gelassen, ein Kreuzfahrtschiff voller Panik-Passagiere. Er war an Bord nicht Kellner, sondern Rockstar. Das Schiff, das ist sein Entdecker-Vehikel. Und die Inspiration für so viele Songs: „Ich träume oft davon, ein Segelboot zu klau’n!“ Bin ich dabei und fahre das „Fluchtauto“…
Mich hat der Film sehr berührt, so manche Träne ist da unter meiner Cap geflossen. Wenn er heute in die Kinos kommt, werdet ihr alle diesen Menschen Udo Lindenberg wirklich näher kennenlernen. Es gelingt dem Film sehr eindringlich. Ich bin sehr dankbar, dass aus unserer Begegnung 2008 eine Freundschaft geworden ist. Er hat meine „bunte Denke“ und den „Erfindergeist“ zum Lodern gebracht. Und nicht nur bei mir.
Mein Termin-Vorschlag für die Premiere von „Mach dein Ding“, Teil drei: 17. Mai 2046. Zu seinem 100. Geburtstag. Wenn er so weitermacht, dann schafft er das. Leicht und locker.